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Weltfrühgeborenentag

Warum halte ich eigentlich ein lila Herz in meinen Händen? Na heute ist Weltfrühgeborenentag! Dieser Tag ist dazu da, um auf die Belange von Frühchen und ihren Familien aufmerksam zu machen, die Farbe dafür ist lila. Eltern eines Frühchens zu werden ist nicht einfach. Die Schwangerschaft war noch nicht zu Ende: Geburtsvorbereitungskurs, Baby-Ausstattung besorgen, sich mental auf die Geburt und die Zeit mit Baby vorzubereiten, Mutterschutz nehmen war nicht mehr möglich. Vielleicht hättest Du, liebe Frühchen-Mama, die Schwangerschaft gerne bis zum Ende ausgetragen. Vielleicht warst Du eine glückliche Schwangere. Doch es kam plötzlich und unvorbereitet anders. Die Wahl, auf welchem Weg das Baby geboren werden soll, gab es nicht. Vorbei der Traum Deiner Wunschgeburt. Keine bis wenig Mitbestimmung, Kontrollverlust… Manche trifft es besonders hart: Kaiserschnitt unter Vollnarkose. Aufwachen, im ersten Moment nicht wissen, wo das Baby ist, ob es denn schon geboren wurde. Manchmal wurde das Baby auch in eine andere Klinik verlegt. Schock…

Angekommen in der Realität, der nächste Schritt: Da liegt es nun im Inkubator, das zarte Wesen aus Haut und Knochen. Kabel, Beatmung, Schläuche, Magensonde, Monitorüberwachung! Ist das da wirklich mein Baby? Oder haben sie es vertauscht? Warum ist es nicht so süß wie Babys eben sind? Wird dieses Kind denn überhaupt überleben? Darf ich es lieben? Oder distanziere ich mich und schütze mich und meine Gefühle, falls es doch stirbt? Bin ich Schuld? Habe ich versagt? Was habe ich falsch gemacht? Ist mein Körper nicht in Ordnung? Ist das eine Bestrafung für irgendwas? Warum passiert mir das?

Frühchen-Eltern sind anfangs Zuschauer, wenn ihr Kind versorgt wird. Die erste Kleidung, das erste Mal wickeln, das erste Mal füttern, baden, wiegen sind besondere Momente, auf die wir Frühchen-Eltern (lange) warten müssen. Muttermilch ist für Frühchen besonders wichtig, aber stillen ist gar nicht möglich. Viele Frühchen werden anfangs über die Magensonde ernährt. Das bedeutet die Mama muss Milch abpumpen, regelmäßig, Tag und Nacht.

Wenn das Frühchen stabil ist, folgt der erste richtige Körperkontakt, das Känguruhen. Das Baby wird Mama oder Papa auf den nackten Oberkörper gelegt und es wird eine zeit lang gekuschelt. Das stärkt die Entwicklung und das Bonding zwischen Eltern und Kind.

Selbstständig atmen, Körpertemperatur halten, selbst trinken und Gewicht zulegen - das sind die großen Ziele bis zur Entlassung. Bis zum selbstständigen Trinken an der Brust oder Flasche dauert es manchmal sehr lange. Es erfordert viel Geduld, Kraft und Ausdauer regelmäßig dazu auch noch abzupumpen. Die Eltern pendeln täglich zwischen Klinik und zuhause. Vielleicht sind auch noch Geschwister zuhause, vielleicht muss das andere Elternteil schon wieder arbeiten. Alles sehr kräftezehrend. Es ist ok, liebe Frühchen-Mama, wenn Du mal eine Pause brauchst. Es ist ok, wenn Du in der Nacht nach Hause gehst und schläfst. All das ist wichtig für Dich und Dein Frühchen.

 

Dazu immer die Sorge, ob es Fortschritte gibt, Rückschläge, ob evtl. (wieder) operiert werden muss. Werden wir mit den Folgen der Frühgeburt klar kommen?Irgendwann ist er da, der Tag der Entlassung: Freude, aber auch hier Sorge. Schaffen wir es ohne Unterstützung des lieben Klinik-Teams? Zum Glück gibt es tolle Hebammen oder das Angebot der frühen Hilfen. Wusstest Du das schon? 

 

Angehörige wollen das Baby bald kennenlernen. „Ihr seid doch zuhause, es ist also alles gut“, „Frühchen, die verwachsen das doch bis sie in die Kita kommen“, „irgendwas ist doch immer bei Geburten"… solche und ähnliche Aussagen belasten uns Frühchen-Eltern. Menschen, die nie in dieser Situation waren, können nicht verstehen, wie das wirklich ist. Sie meinen das nicht absichtlich böse. Es ist trotzdem ok, liebe Frühchen-Mama, in dieser Zeit auf dich zu achten, Kontakte zu reduzieren, die Dir nicht gut tun…

Entwicklungsverzögerung, Verhaltensauffälligkeiten, Schwierigkeiten bei Einschulung oder Berufsstart können auch bei bisher unauffälligen Frühchen nochmal auftauchen. Es muss aber nicht so sein. Prognosen gibt es nicht. Langsam gehen, Schritt für Schritt, die Herausforderung dann annehmen, wenn sie kommt. So fühlt es sich leichter an.   

 

Liebe Frühchen-Mama, Du bist nicht allein! Ich verstehe Dich! Wir verstehen Dich! Dafür steht heute die Farbe lila 

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